Politische Anfänge
Von Jakob Kluck, Johanna Bernklau, Max Greger und Sina Bahr
Dr. Alfons Goppel als bayerischer Landesvater
Die Nähe zur bayerischen Bevölkerung ist eine Eigenschaft, die dem ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Alfons Goppel immer wieder zugeschrieben wird. So sagte Franz Josef Strauß an Dr. Goppels 70. Geburtstag: „Wenn der Titel Pater Bavariae zu vergeben wäre, Alfons Goppel hätte ein Anrecht darauf.“ Edmund Stoiber erinnert sich, dass Goppel von den Menschen ins Herz geschlossen wurde und ihnen Halt gab. Dieser Bezug zu den Menschen spiegelt sich auch in den ersten Worten seiner Regierungserklärung als Ministerpräsident von 1962 wider: „Im Mittelpunkt aller staatlichen Tätigkeit steht der Mensch.“ So wurde ihm vom Volk schnell der Titel des Landesvaters zugeschrieben. Sein Sohn Dr. Thomas Goppel erzählt, sie seien es gewohnt gewesen, Dr. Alfons Goppel als Vater mit dem Rest der bayerischen Welt teilen zu müssen. Doch das ist nur eine von vielen Eigenschaften, die Dr. Alfons Goppel als Ministerpräsidenten und als Mensch auszeichneten.
Die Liebe zu Verwaltung und Verfassung
„Alfons Goppel galt als Politiker mit großem Herz, scharfem Verstand, hoher Lebenskultur und mit einer heiteren Gelassenheit“, sagte Edmund Stoiber anlässlich Goppels 100. Geburtstag.
„Pure Macht war für Alfons Goppel etwas, vor dem er zurückscheute oder auswich.“
Staatsminister Dr. Hans Maier
Staatsminister Dr. Hans Maier erlebte Dr. Goppel hingegen auch in Situationen, die Goppel wütend oder ungläubig stimmten. So hatte Alfons Goppel eine besondere Abneigung gegen Machtballungen und Einzel-Ehrgeiz: „Pure Macht war für Dr. Alfons Goppel etwas, vor dem er zurückscheute oder auswich.“ Darüber hinaus lehnte er Entscheidungen ab, bei denen persönliche Beziehungen stärker gewichtet wurden als das Einhalten von Zuständigkeiten und Verfahren. Die Liebe zur Genauigkeit sei auf seine Zeit als Jurist zurückzuführen. Der studierte Rechtsanwalt legte großen Wert auf klare Zuständigkeiten. So sollten die Agierenden im Verfassungsgefüge – also Volk, Parlament, Partei und Regierung – in ihren Gewichtungen deutlich unterschieden werden. Dass ihm eine gut strukturierte Verwaltung am Herzen lag, zeigte sich auch in seinem Umgang mit seinen Verfassungsleuten, die unter Goppel eine führende Rolle in der bayerischen Politik spielten. Er versuchte stets, die gemeinsame wichtige Aufgabe zu betonen, Distanzen zu überbrücken und seinen Mitarbeitenden den nötigen Spielraum zu lassen und damit Vertrauen zu stärken. Maier erinnert sich an Goppel als einen Teamarbeiter, der seine eigene Fehlbarkeit nicht leugnete und ohne Probleme mit seiner Meinung in der Minderheit sein konnte.
Die politischen Anfänge in der BVP
Diese Eigenschaft sollte ihm in den kommenden Jahren noch nützlich werden.
Mit Mitte zwanzig trat Goppel in die Fußstapfen seines Vaters und begann sein politisches Engagement in der Bayerischen Volkspartei (BVP), die von Traditionsreichtum und einer christlichen (hauptsächlich katholischen) Weltanschauung geprägt war. 1932, im Jahr der Reichspräsidentschaftswahl, organisierte Goppel zahlreiche Jugendveranstaltungen und sprach sich für die Wiederwahl Hindenburgs und gegen eine Wahl Hitlers aus.
Mit dem Sieg Hindenburgs und den darauf folgenden Uniform-Verboten in Bayern von SA und SS schien die Gefahr der NSDAP vorerst gebannt zu sein. Nach Tumulten im bayerischen Landtag wurde das Verbot jedoch wieder aufgehoben und in der BVP formierte sich eine Widerstandsgruppe gegen rechts.
Die „Kampftruppe“ der BVP
Die paramilitärische Bayernwacht galt zunächst als Selbstschutz für hohe Parteifunktionäre der BVP, wurde später jedoch auf einen allgemeinen Versammlungs- und Saalschutz für Parteiveranstaltungen ausgeweitet. Goppel nahm bereits an den Gründungsversammlungen der Bayernwacht teil und wurde stellvertretender Gauführer der Oberpfalz. Seine Motivation zitiert der Regensburger Anzeiger im Juli 1932 mit folgenden Worten: „Wir Jungen sind da und wir werden da sein, allen zum Trutz und unseren Idealen zum Schutz. Wir in Regensburg wollen beweisen, dass wir zum bayerischen Staat stehen.“
Nach der Machtübernahme Hitlers sank nun auch das Wahlergebnis der BVP, die von den Nationalsozialisten deutlich überholt wurde. Trotzdem konnte Goppel durch einige Mandatsniederlegungen seiner Parteifreunde als Nachrücker in den Regensburger Stadtrat einziehen. Doch noch am selben Tag, an dem Goppel einzog, beschlossen einige in Haft befindliche führende BVP-Funktionäre im Münchner Gefängnis Stadelheim die Selbstauflösung der Partei. Somit war Goppels parteipolitisches Engagement direkt nach der ersten Sitzung in Regensburg zu Ende.
Schwere Zeiten
Als selbständiger Rechtsanwalt hatte es Goppel zu dieser Zeit nicht leicht. Seine Räume wurden von Nationalsozialisten durchsucht, die Kundschaft blieb aus. Um sich und seine Verlobte ernähren zu können, traf er 1933 eine schwere Entscheidung:
Der Beitritt in die SA war dem vorläufigen Aufnahmestopp der NSDAP geschuldet, die um diese Zeit mit zu vielen Anwärtern und Anwärterinnen überfordert war.
Relativ schnell wurde Goppel nach seiner Verbeamtung für den höheren Justizstaatsdienst für geeignet erklärt und bald darauf in die bayerische Pfalz versetzt. Aufgrund seiner früheren Tätigkeit in der BVP stand jedoch fest, dass er keine Chance auf eine lebenslange Verbeamtung hätte. Da sein Amt als zweiter Staatsanwalt politischer war, als es Goppel recht war, bemühte er sich durch zahlreiche Bewerbungen, von seiner aktuellen Stelle woanders hin versetzt zu werden.
1937 wurde die Eintrittssperre der NSDAP gelockert und Goppel befand sich seitdem auf der Mitgliedsliste der nationalsozialistischen Partei. Goppel bestritt jedoch Jahre später im Entnazifizierungsprozess, sich aktiv um eine Mitgliedschaft bei der NSDAP bemüht zu haben.
„Wenn nicht entlastet, dann Mitläufer“ – so schätzte Goppel seine NS-Vergangenheit im Entnazifizierungsprozess selbst ein.
Sein Interesse an Politik und seine Bereitschaft, politische Verantwortung zu übernehmen, waren ungebrochen. Deshalb bemühte Alfons Goppel sich nach dem Zweiten Weltkrieg erneut um politische Ämter. Dabei musste er ähnlich wie im Beruflichen zahlreiche Absagen hinnehmen. Doch aufgegeben hat er nicht.
Vom Hinfallen und Wiederaufstehen
Ehrlich, anständig, aufrichtig, fleißig, zielbewusst – so beschrieb Gertrud Goppel ihren Ehemann. Unter diesen Eigenschaften sind es vor allem Fleiß und Zielbewusstsein, die seine langjährige politische Karriere prägten. Es gab einige Rückschläge: Die gescheiterte Kandidatur für den Bayerischen Landtag 1950, die Ablehnung seines Postens als Aschaffenburger Landrat durch das Innenministerium 1952 oder die erfolglose Oberbürgermeister-Kandidatur in Würzburg 1956 – all diese Hürden nahmen Alfons Goppel nicht seinen Antrieb. Woher kam diese unerschütterliche Motivation, sich am politischen Geschehen zu beteiligen?
Das Miterleben der Weimarer Republik, die Zeiten unter der Führung des Nationalsozialismus sowie die Schrecken des Zweiten Weltkriegs führten dazu, dass Dr. Alfons Goppel ein großes Ziel vor Augen hatte: eine Politik zu schaffen, die geprägt war von einer stabilen Demokratie, von Frieden und Freiheit. Dass er dieses Ziel auch in Momenten des Scheiterns weiterhin verfolgen konnte, hatte Goppel zudem seinem stabilen Gesundheitszustand und seiner schnellen Regenerationsfähigkeit zu verdanken – sowie auch seiner starken Psyche, die sich auf sein Gottvertrauen, seinen Familiensinn und seine Heimatliebe stützte.
Politik und Glaube
Letzten Endes war Dr. Alfons Goppels politischer Werdegang stets von einem unerschütterlichen Katholizismus und seinem christlichen Engagement geprägt, die von verschiedenen Stimmen immer wieder gelobt sowie auch in seinen damaligen sogenannten „Persilscheinen“ hervorgehoben wurden. Politik mit christlich-sozialen Werten zu verbinden war eine Herausforderung, der er sich als Mitbegründer der Christlich-Sozialen Union immer wieder stellte. Dabei betonte er besonders Gewissensbildung sowie ein ausgewogenes Zusammenspiel aus Freiheit und Verantwortung als unverzichtbare Elemente bei politischen Entscheidungen. Prälat Dr. Valentin Doering betonte bei einem Gedenkgottesdienst zu Ehren Goppels, dass Glaube nicht durch Politik zu realisieren sei. Vielmehr müsse Glaube in der Politik wirksam werden. So hält er es für entscheidend, sich bei politischen Entscheidungen immer wieder auf das Wort Gottes zu besinnen und zu beziehen – so wie es Alfons Goppel stets tat.
Der starke Bezug zum Glauben entwickelte sich bereits in seiner Kindheit. Dr. Alfons Goppel erinnerte sich besonders an seine Mutter, die ihm mit ihren christlichen Werten stets ein Vorbild war. Und so wie er durch seine Eltern in seinen Eigenschaften beeinflusst wurde, so hat auch er gewisse Verhaltensweise an seine eigenen Kinder weitergegeben, von denen sein Sohn Thomas Goppel im Interview erzählt.