Familienleben

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Von Antonia Müller und Berenice Fengler

Dr. Alfons Goppel – Landesvater und Familienvater zugleich. Wir kennen ihn meist als Politiker und Reformer. Wie lief sein Leben zuhause ab?

Sein Sohn Dr. Thomas Goppel über Notenkonferenzen und sonntägliche Kichgänge.

Dass die Politik etwas sehr Wichtiges ist – das war also schon für die kleinsten Familienmitglieder klar. Dass man da besser voran kommt, wenn man gemeinsam etwas erreichen will, auch. Dies zu leben und zu vermitteln, gelang Dr. Alfons Goppel daheim im Kreise seiner Familie genauso wie im beruflichen Umfeld. Der Mann, der Bayerns am längsten
amtierender Ministerpräsident war, konnte vereinen, zusammenhalten, verhandeln und: Verantwortung tragen. Lebenslang.

„Für den anderen Menschen da zu sein.“

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Politische Anfänge

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Von Jakob Kluck, Johanna Bernklau, Max Greger und Sina Bahr

Dr. Alfons Goppel als bayerischer Landesvater

Dr. Thomas Goppel, Sohn von Dr. Alfons Goppel, über das Politik-Verständnis seines Vaters.

Die Nähe zur bayerischen Bevölkerung ist eine Eigenschaft, die dem ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Alfons Goppel immer wieder zugeschrieben wird. So sagte Franz Josef Strauß an Dr. Goppels 70. Geburtstag: „Wenn der Titel Pater Bavariae zu vergeben wäre, Alfons Goppel hätte ein Anrecht darauf.“ Edmund Stoiber erinnert sich, dass Goppel von den Menschen ins Herz geschlossen wurde und ihnen Halt gab. Dieser Bezug zu den Menschen spiegelt sich auch in den ersten Worten seiner Regierungserklärung als Ministerpräsident von 1962 wider: „Im Mittelpunkt aller staatlichen Tätigkeit steht der Mensch.“ So wurde ihm vom Volk schnell der Titel des Landesvaters zugeschrieben. Sein Sohn Dr. Thomas Goppel erzählt, sie seien es gewohnt gewesen, Dr. Alfons Goppel als Vater mit dem Rest der bayerischen Welt teilen zu müssen. Doch das ist nur eine von vielen Eigenschaften, die Dr. Alfons Goppel als Ministerpräsidenten und als Mensch auszeichneten.

Die Liebe zu Verwaltung und Verfassung  

„Alfons Goppel galt als Politiker mit großem Herz, scharfem Verstand, hoher Lebenskultur und mit einer heiteren Gelassenheit“, sagte Edmund Stoiber anlässlich Goppels 100. Geburtstag.

„Pure Macht war für Alfons Goppel etwas, vor dem er zurückscheute oder auswich.“

Staatsminister Dr. Hans Maier

Staatsminister Dr. Hans Maier erlebte Dr. Goppel hingegen auch in Situationen, die Goppel wütend oder ungläubig stimmten. So hatte Alfons Goppel eine besondere Abneigung gegen Machtballungen und Einzel-Ehrgeiz: „Pure Macht war für Dr. Alfons Goppel etwas, vor dem er zurückscheute oder auswich.“ Darüber hinaus lehnte er Entscheidungen ab, bei denen persönliche Beziehungen stärker gewichtet wurden als das Einhalten von Zuständigkeiten und Verfahren. Die Liebe zur Genauigkeit sei auf seine Zeit als Jurist zurückzuführen. Der studierte Rechtsanwalt legte großen Wert auf klare Zuständigkeiten. So sollten die Agierenden im Verfassungsgefüge – also Volk, Parlament, Partei und Regierung – in ihren Gewichtungen deutlich unterschieden werden. Dass ihm eine gut strukturierte Verwaltung am Herzen lag, zeigte sich auch in seinem Umgang mit seinen Verfassungsleuten, die unter Goppel eine führende Rolle in der bayerischen Politik spielten. Er versuchte stets, die gemeinsame wichtige Aufgabe zu betonen, Distanzen zu überbrücken und seinen Mitarbeitenden den nötigen Spielraum zu lassen und damit Vertrauen zu stärken. Maier erinnert sich an Goppel als einen Teamarbeiter, der seine eigene Fehlbarkeit nicht leugnete und ohne Probleme mit seiner Meinung in der Minderheit sein konnte.

Die politischen Anfänge in der BVP

Dr. Stefan März, Autor und Historiker (LMU München)

Diese Eigenschaft sollte ihm in den kommenden Jahren noch nützlich werden.

Mit Mitte zwanzig trat Goppel in die Fußstapfen seines Vaters und begann sein politisches Engagement in der Bayerischen Volkspartei (BVP), die von Traditionsreichtum und einer christlichen (hauptsächlich katholischen) Weltanschauung geprägt war. 1932, im Jahr der Reichspräsidentschaftswahl, organisierte Goppel zahlreiche Jugendveranstaltungen und sprach sich für die Wiederwahl Hindenburgs und gegen eine Wahl Hitlers aus.

Mit dem Sieg Hindenburgs und den darauf folgenden Uniform-Verboten in Bayern von SA und SS schien die Gefahr der NSDAP vorerst gebannt zu sein. Nach Tumulten im bayerischen Landtag wurde das Verbot jedoch wieder aufgehoben und in der BVP formierte sich eine Widerstandsgruppe gegen rechts.

Dr. Stefan März über Goppels politische Anfänge in der BVP

Die „Kampftruppe“ der BVP

Die paramilitärische Bayernwacht galt zunächst als Selbstschutz für hohe Parteifunktionäre der BVP, wurde später jedoch auf einen allgemeinen Versammlungs- und Saalschutz für Parteiveranstaltungen ausgeweitet. Goppel nahm bereits an den Gründungsversammlungen der Bayernwacht teil und wurde stellvertretender Gauführer der Oberpfalz. Seine Motivation zitiert der Regensburger Anzeiger im Juli 1932 mit folgenden Worten: „Wir Jungen sind da und wir werden da sein, allen zum Trutz und unseren Idealen zum Schutz. Wir in Regensburg wollen beweisen, dass wir zum bayerischen Staat stehen.“

Nach der Machtübernahme Hitlers sank nun auch das Wahlergebnis der BVP, die von den Nationalsozialisten deutlich überholt wurde. Trotzdem konnte Goppel durch einige Mandatsniederlegungen seiner Parteifreunde als Nachrücker in den Regensburger Stadtrat einziehen. Doch noch am selben Tag, an dem Goppel einzog, beschlossen einige in Haft befindliche führende BVP-Funktionäre im Münchner Gefängnis Stadelheim die Selbstauflösung der Partei. Somit war Goppels parteipolitisches Engagement direkt nach der ersten Sitzung in Regensburg zu Ende.

Schwere Zeiten

Als selbständiger Rechtsanwalt hatte es Goppel zu dieser Zeit nicht leicht. Seine Räume wurden von Nationalsozialisten durchsucht, die Kundschaft blieb aus. Um sich und seine Verlobte ernähren zu können, traf er 1933 eine schwere Entscheidung:

Dr. Stefan März über Goppels Beitritt in die SA

Der Beitritt in die SA war dem vorläufigen Aufnahmestopp der NSDAP geschuldet, die um diese Zeit mit zu vielen Anwärtern und Anwärterinnen überfordert war.

Relativ schnell wurde Goppel nach seiner Verbeamtung für den höheren Justizstaatsdienst für geeignet erklärt und bald darauf in die bayerische Pfalz versetzt. Aufgrund seiner früheren Tätigkeit in der BVP stand jedoch fest, dass er keine Chance auf eine lebenslange Verbeamtung hätte. Da sein Amt als zweiter Staatsanwalt politischer war, als es Goppel recht war, bemühte er sich durch zahlreiche Bewerbungen, von seiner aktuellen Stelle woanders hin versetzt zu werden.

1937 wurde die Eintrittssperre der NSDAP gelockert und Goppel befand sich seitdem auf der Mitgliedsliste der nationalsozialistischen Partei. Goppel bestritt jedoch Jahre später im Entnazifizierungsprozess, sich aktiv um eine Mitgliedschaft bei der NSDAP bemüht zu haben.

Dr. Thomas Goppel: „Wir haben über die Zeit im Krieg eigentlich nie gesprochen“

„Wenn nicht entlastet, dann Mitläufer“ – so schätzte Goppel seine NS-Vergangenheit im Entnazifizierungsprozess selbst ein.

Dr. Stefan März über Goppels Entnazifizierungsprozess

Sein Interesse an Politik und seine Bereitschaft, politische Verantwortung zu übernehmen, waren ungebrochen. Deshalb bemühte Alfons Goppel sich nach dem Zweiten Weltkrieg erneut um politische Ämter. Dabei musste er ähnlich wie im Beruflichen zahlreiche Absagen hinnehmen. Doch aufgegeben hat er nicht.  

Dr. Thomas Goppel erzählt eine Anekdote über Konrad Adenauer und Gertrud Goppel

Vom Hinfallen und Wiederaufstehen

Ehrlich, anständig, aufrichtig, fleißig, zielbewusst – so beschrieb Gertrud Goppel ihren Ehemann. Unter diesen Eigenschaften sind es vor allem Fleiß und Zielbewusstsein, die seine langjährige politische Karriere prägten. Es gab einige Rückschläge: Die gescheiterte Kandidatur für den Bayerischen Landtag 1950, die Ablehnung seines Postens als Aschaffenburger Landrat durch das Innenministerium 1952 oder die erfolglose Oberbürgermeister-Kandidatur in Würzburg 1956 – all diese Hürden nahmen Alfons Goppel nicht seinen Antrieb. Woher kam diese unerschütterliche Motivation, sich am politischen Geschehen zu beteiligen?

Das Miterleben der Weimarer Republik, die Zeiten unter der Führung des Nationalsozialismus sowie die Schrecken des Zweiten Weltkriegs führten dazu, dass Dr. Alfons Goppel ein großes Ziel vor Augen hatte: eine Politik zu schaffen, die geprägt war von einer stabilen Demokratie, von Frieden und Freiheit. Dass er dieses Ziel auch in Momenten des Scheiterns weiterhin verfolgen konnte, hatte Goppel zudem seinem stabilen Gesundheitszustand und seiner schnellen Regenerationsfähigkeit zu verdanken – sowie auch seiner starken Psyche, die sich auf sein Gottvertrauen, seinen Familiensinn und seine Heimatliebe stützte.

Politik und Glaube

Letzten Endes war Dr. Alfons Goppels politischer Werdegang stets von einem unerschütterlichen Katholizismus und seinem christlichen Engagement geprägt, die von verschiedenen Stimmen immer wieder gelobt sowie auch in seinen damaligen sogenannten „Persilscheinen“ hervorgehoben wurden. Politik mit christlich-sozialen Werten zu verbinden war eine Herausforderung, der er sich als Mitbegründer der Christlich-Sozialen Union immer wieder stellte. Dabei betonte er besonders Gewissensbildung sowie ein ausgewogenes Zusammenspiel aus Freiheit und Verantwortung als unverzichtbare Elemente bei politischen Entscheidungen. Prälat Dr. Valentin Doering betonte bei einem Gedenkgottesdienst zu Ehren Goppels, dass Glaube nicht durch Politik zu realisieren sei. Vielmehr müsse Glaube in der Politik wirksam werden. So hält er es für entscheidend, sich bei politischen Entscheidungen immer wieder auf das Wort Gottes zu besinnen und zu beziehen – so wie es Alfons Goppel stets tat.

Der starke Bezug zum Glauben entwickelte sich bereits in seiner Kindheit. Dr. Alfons Goppel erinnerte sich besonders an seine Mutter, die ihm mit ihren christlichen Werten stets ein Vorbild war. Und so wie er durch seine Eltern in seinen Eigenschaften beeinflusst wurde, so hat auch er gewisse Verhaltensweise an seine eigenen Kinder weitergegeben, von denen sein Sohn Thomas Goppel im Interview erzählt.

Was hat Dr. Thomas Goppel von seinem Vater übernommen?

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Alfons Goppel als Ministerpräsident: Bayerns heimlicher Modernisierer

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Von David Kernstock und Philipp Ulrich Abele

Odeonsplatz, Feldherrnhalle – München am Abend des 6. November 1978. Die Fackeln der Kompanien der Bayerischen Gebirgsschützen leuchten in den Münchner Nachthimmel; Trompeten und Hörner tönen zum Defiliermarsch: Die ersten Takte am Ende einer Ära – es ist das letzte Geleit für Alfons Goppel. Für den Mann, der dem Freistaat Bayern 16 Jahre als Ministerpräsident vorstand.

16 Jahre. 16 politische Jahre, die rückblickend aus heutiger Sicht wie ein Feuerwerk erscheinen – als Feuerwerk der Reformen: Schulreform, Hochschulliberalisierung, Fachhochschulgesetz und fünf Universitätsgründungen, Gebietsreform und Flurbereinigung im ländlichen Raum, der Anfang des gesetzlichen Denkmal- und Naturschutzes, die Einrichtung von Nationalparks, und nicht zuletzt: eine ganze Reihe von Infrastrukturprojekten. Vom heutigen Flughafen im Erdinger Moos über die U-Bahn Münchens bis hin zu Erdölraffinerien in Ingolstadt mit Anbindung an das Mittelmeer. Wie war so viel Neues möglich? War Alfons Goppel der Antreiber in die industrialisierte Moderne Bayerns? Und gab es bei all diesen Reformen immer die Zustimmung, die 16 Jahre Bayerische Staatsregierung unter dem Ministerpräsidenten Goppel vermuten lassen? Wir haben diesen Fragen nachgespürt.

In eine neue Zeit: Erst Energie – dann Industrie

Vieles verbinden Menschen außerhalb Bayerns heute mit dem Freistaat im Süden. Auch wirtschaftliche Stärke gehört dazu. Anfang der 1960er-Jahre war dies noch gänzlich anders: Der Flächenstaat Bayern war geprägt durch Landwirtschaft. Bereits zum Amtsantritt Goppels jedoch, 1962, war die Perspektive der vielen bayerischen Kleinbauern und landwirtschaftlichen Höfe schwierig geworden. Wie weiter umgehen mit der zunehmenden Unwirtschaftlichkeit kleiner Höfe? Mit dem heftigen Preisdruck durch die Vernetzung europäischer Märkte? Was tun gegen den zunehmenden Konzentrationsprozess im Sektor? Goppel war sich der schwierigen langfristigen Lage durchaus bewusst. „Es gehe […] darum“, so Goppel intern zur CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, „nicht nur Federn zu lassen, sondern anderswo Federn dazu wachsen zu lassen“.

Abhilfe war nach Goppel nur durch eine Verlagerung möglich: Bayern müsse den Sprung vom Primärsektor und der dominierenden Landwirtschaft hin zu einem starken Industrieland schaffen. Das sollte die Beschäftigung hochhalten und das Bundesland zu Stärke führen – denn Bayern war im Länderfinanzausgleich ein Empfängerland: Es empfing Geld, es gab nicht. Das würde sich innerhalb der nächsten 16 Jahre ändern.

Um eine starke Industrie aufzubauen und anzuziehen, so ein leitendes Gebot Goppels und des langjährigen bayerischen Wirtschaftsministers Otto Schedl, müsse das Land jedoch über günstige Energie verfügen. Freilich lagen die Energielösungen der damaligen Zeit anders vor, als dies ökologische und nachhaltige Forderungen von heute nahelegen. Für die 60er-Jahre jedoch bedeuteten einige Energieerzeuger – heute fast allesamt abgestellt – einen echten Fortschritt: Die Atomkraftwerke Gundremmingen an der Donau, Niederaibach und Ohu bei Landshut, sowie die Ansiedlung von Erdölraffinerien im Raum Ingolstadt und Neustadt an der Donau. Letztere schafften es, den Erdöl- und Heizölpreis in Bayern zu senken; sie beschleunigten damit allerdings auch das Ende des bayerischen Kohle-Bergbaus, wie etwa in Peißenberg.

Die Shell-Raffinerie in Ingolstadt bei ihrer Eröffnung 1963
Aus: HSS/ACSP, NL Goppel Alfons Fotoalbum: 1963/8/1

Mit dieser Energiepolitik verhalf die Bayerische Staatsregierung dem Bundesland, seinen Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen, zu günstigen Strom- und Energiepreisen. Die 70er-Jahre setzten große wirtschaftspolitische Wegmarken: Das Mittelstandsförderungsgesetz von 1974 etwa, hatte Vorbildcharakter für die ganze Bundesrepublik. Es erleichterte wirtschaftliche Selbstständigkeit, es regelte Gründungen und es verpflichtete Staat und Kommunen darin, bei Fördermaßnahmen kleine und mittlere Unternehmen zu berücksichtigen.

Der Aufbau der Infrastruktur Bayerns

Noch stärker ins Gewicht der Amtszeit von Alfons Goppel fällt der Ausbau der Infrastruktur in Bayern. Allen voran die Universitäten. Nicht weniger als fünf Universitätsgründungsgesetze fallen in seine Zeit: Die Universität Regensburg wurde noch unter dem vorigen Ministerpräsidenten Hans Ehard beschlossen (1962), dann folgten Augsburg (1969), Bayreuth (1971), Bamberg, Eichstätt und Passau (alle 1972) innerhalb weniger Jahre. Der Universitätsausbau korrespondierte mit dem flächendeckenden Ausbau von Realschulen und Gymnasien in Bayern: Allein zwischen 1964 und 1970 wurden 175 neue zusätzliche Gymnasien geschaffen – nun auch in den ländlichen Regionen Bayerns. Aber nicht nur die Zahl der Schulen und Universitäten nahm zu. Auch funktional erweiterte sich das Spektrum von Lehre und Forschung: Das bayerische Fachhochschulgesetz von 1970 schuf in Bayern die stärker praxisorientierten Fachhochschulen.

Die Bildungsexpansion ab Ende der 50er-Jahre erwuchs aus so unterschiedlichen Ursachen wie: geburtenstarken Jahrgängen, einer Ausdifferenzierung der Berufsfelder und der Notwendigkeit neuer, dafür angemessener Ausbildungswege. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass in den 60er-Jahren erstmals verstärkt Debatten über Chancengleichheit, also die Erwartung an vergleichbare Bildungschancen für Heranwachsende, aufkamen. Sie waren ihrerseits Grund für die Politik, im Bildungsbereich erhebliche Investitionen vorzunehmen.

Bei allem gilt: Die Tätigkeit des Freistaats Bayern in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern war freilich nicht nur das Werk Goppels alleine. Es kennzeichnete seine Amtsführung, dass er seinen Ministern große Freiheiten bei der Führung ihrer Ressorts ließ. Der Bildungsbereich ist hier ein gutes Beispiel: Ab 1964 führte der junge und reformfreudige Ludwig Huber das Kultusministerium, 1970 folgte der wissenschaftlich arrivierte Hans Maier. Er hatte das Amt bis zu seinem Rücktritt 1986 inne. Mit beiden, Ludwig Huber und Hans Maier, ist die Entwicklung des bayerischen Schul- und Hochschulwesens in der Nachkriegszeit untrennbar verbunden.

Grundsteinlegung der Universität Regensburg am 11. November 1967
Aus: Wagner, Christoph (Hrsg.), 50 Jahre Universität Regensburg: Festschrift 2017. Regensburg: Universitätsverlag Regensburg 2017, S. 59
Ministerpräsident Alfons Goppel: Rede zur Eröffnung der Universität Regensburg am 11. November 1967 (Auszug)
Aus: Universitätsarchiv Regensburg, Rep. 131 Audiovisuelle Sammlung, Nr. 4

Auch weitere Großprojekte wurden in Bayern in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre vorangetrieben: Der Zuschlag zu den Olympischen Spielen 1972 in der Stadt München bedeutete eine erhebliche Veränderung der Stadt und setzte baupolitisch neue Dimensionen: Ein ganzes Olympisches Dorf als „Stadt in der Stadt“ im Nordwesten, das Olympiastadium und der Fernsehturm, aber auch die erste Münchner Untergrundbahn (U-Bahn) entstanden in Vorbereitung auf die olympischen Sommerspiele 1972 (in Nürnberg feierte die U-Bahn ein Jahr später ihren Start).

„Er war ein Landesvater.“

Hans-Jochen Vogel (SPD) über Alfons Goppel

Die Zusammenarbeit der Stadt München mit dessen Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD) und dem Freistaat mit Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU) erfolgte hier trotz der unterschiedlichen Parteizugehörigkeit in guter Abstimmung. Vogel erinnerte sich Jahrzehnte später an den Moment, der das Großprojekt Olympiabewerbung im Herbst 1965 möglich machte: „Dann bin ich zum bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel (CSU) in die Staatskanzlei gegangen: ‚Jawohl, Bayern beteiligt sich und stimmt zu‘, erklärte er zu meiner Freude sehr schnell. Das habe ich Alfons Goppel nie vergessen.“

Die vielerorts gestaltende Hand der bayerischen Politik fand aber nicht nur Freunde und Unterstützer. Parallel zu den beschriebenen Großprojekten deutete sich in Ansätzen an, was anhand anderer Beispiele in den Folgejahrzehnten noch zunehmen würde: Der Unwille und Protest betroffener Bürger. Ein Beispiel: Das europäische Kernforschungszentrum CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) plante ab 1962 eine Erweiterung seiner Forschungsstandorte mit dem Bau eines weiteren Teilchen-Beschleunigers für die kernphysikalische Grundlagenforschung.

Goppels Bemühung im Verbund mit dem Forschungsministerium des Bundes in Bonn war es, die Anlage im Ebersberger Forst nahe München anzusiedeln. Dies scheiterte. Gar nicht so sehr die Ansiedlung von Atomforschung – sie wurde damals als fortschrittliche Technologie von allen Parteien begrüßt -, sondern die Ortswahl Ebersberger Forst, war Stein des Anstoßes. Die starken Proteste von Bürgerinitiativen im Jahr 1965 aufgrund der geplanten landschaftlichen Eingriffe ließen das Vorhaben immer unwahrscheinlicher werden. Die Forschungseinrichtung siedelte sich dann bei Genf an. Es war das erste Mal, dass der Bayerische Landtag zu einer breiten Diskussion über Umwelt- und Naturschutz ansetzte, beim Für und Wider zu einem infrastrukturellen Großprojekt.

Die Debatten um die CERN-Ansiedlung und die zunehmende Sensibilisierung für ökologische Belange brachten aber auch Gutes: Die Politik reagierte schnell. Mit einem Bündel von Maßnahmen wollte die Bayerische Staatsregierung unter Dr. Alfons Goppel dem aufkommenden Umweltbewusstsein beikommen. Nach dem Landtagsbeschluss vom Sommer 1969 eröffnete ein Jahr später der „Nationalpark Bayerischer Wald“ als erster Nationalpark in Deutschland. 1978 folgte der „Alpen- und Nationalpark Berchtesgadener Land“. Beide Nationalparks wurden unter Führung des bayerischen Landwirtschaftsministers Hans Eisenmann entwickelt, der 1969 auf den in der bayerischen Politik lange Zeit sehr einflussreichen Alois Hundhammer folgte.

Der Lusen im Bayerischen Wald (Bild der 80er-Jahre)
Foto: Heinz Rosenlehner / Archiv Nationalpark Bayerischer Wald

Das Jahr 1970 war aber nicht nur das Jahr der Eröffnung des ersten Nationalparks – es war auch das Jahr der Errichtung eines eigenen bayerischen Umweltministeriums (Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen). Als erstes seiner Art in Deutschland war es unter Führung des ersten Umweltministers und späteren Ministerpräsidenten Max Streibl zuständig für verschiedene Aufgaben: Raumordnung und Landesplanung, Gefahrenschutz in Natur, Landschaft, Boden, Wasser und der Luft, Landschaftspflege sowie Freizeit und Erholung.

„Die Bedrohung unserer Lebensgrundlagen durch die zunehmende Technisierung der Welt und den unkontrollierten Egoismus der einzelnen lässt es nicht zu, den Umweltschutz heute noch von den Ministerien gesondert unter den verschiedensten Teilaspekten wahrzunehmen.“ – so das Argument Goppels im Bayerischen Landtag zur Gründung des Ministeriums. Trotz heftigen Widerstands des damaligen Wirtschaftsministers Otto Schedl wurde der Geschäftsbereich der Landesplanung aus dem Wirtschaftsministerium gelöst und im neuen Staatsministerium von Max Streibl angesiedelt.

Für den heutigen Kontext nicht mehr so klar verständlich: Dies war weit mehr als der Umgang mit einem Begriff. Die 60er-Jahre standen ganz im Zeichen der ‚Planung‘. „Planung ist der große Zug unserer Zeit“, notierte der Jurist Joseph Heinrich Kaiser. Das bedeutete: Von der Politik auf Bundes- und Landesebene erwartete man Vorausschau, eine langfristige Entwicklung und gestalterische Perspektive. Ministerien erstellten mehrjährige Pläne und Entwicklungsprogramme. Bund und Länder erließen 1965 etwa das Raumordnungsgesetz, das dem Bund eine eingeschränkte Kompetenz zu einer bundesstaatlichen Raumordnung überließ. Fast alle Länder erließen in der Folge bis 1974 eigene Landesplanungsgesetze und Regionalplanungen. Die Raumordnung von Regionen und Gemeinden spielte darin eine bedeutende Rolle, Nordrhein-Westfalen und Hessen waren hier Vorreiter der Entwicklung.

Auf die Barrikaden: Eine Reform spaltet den Freistaat

Doch wo zentral Planung vorgegeben wird, ist dezentral Widerspruch oft nicht weit – das zeigte sich vermehrt ab Mitte der 60er-Jahre. Und so ist die Regierungszeit von Alfons Goppel nicht nur die Erzählung stetigen Aufstiegs. Die damalige Offenheit politischer Richtungsgestaltung zeigt sich gerade an kontroversen Themen der Zeit. Das Scheitern der bereits erwähnten CERN-Ansiedlung oder der Beginn der jahrzehntelangen politischen Hängepartie um den Rhein-Main-Donau-Kanal sind treffliche Beispiele: Nicht jede Entwicklung ließ sich im Voraus planen. Ein Minister sollte dies über die 70er-Jahre hinweg besonders zu spüren bekommen: der bayerische Innenminister Bruno Merk.

Am 9. November 1971 billigte der Bayerische Landtag ein Gesetz aus dem Haus des Innenministers Merk – die erste mehrerer gestalterischer Maßnahmen, die sich im Laufe der 70er-Jahre zum Spaltpilz der bayerischen Innenpolitik entwickelten: Die Gemeindegebietsreform hatte begonnen.

„Wichtigste innenpolitische Aufgabe der Legislaturperiode“

Alfons Goppel, in seiner Regierungserklärung 1967 über die Gebietsreform
Zu Beginn noch munter, später nicht mehr: Alfons Goppel, Franz Josef Strauß und Bruno Merk (v.r.n.l.) bei einer Besprechung zur Gebietsreform in Bayern
Aus: HSS/ACSP, Ph P: Merk Bruno : 1/1 – Fotograf Rolf Sanzenbacher

Tatsächlich war die politische Strategie nicht schlecht gewählt – eigentlich. Die mehrstufige Gebietsreform im Freistaat sollte erst dort abgesichert werden, wo ihr Konfliktpotential innerhalb der Bevölkerung niedrig war. Das erste Reformgesetz galt daher der Landkreisreform. Zum 1. Juli 1972 schrumpfte die Zahl der bayerischen Landkreise von 143 auf 71.

Die Veränderung erheblich: Der Zuschnitt der bayerischen Landkreise vor der Reform, 1970
Eigene Bearbeitung (Max Greger), nach: Immanuel Giel (2006): Landkreis Donauwörth (gemeinfrei)

In einer zweiten Stufe war mit der kommunalen Gemeindereform das Potential für politischen Zündstoff mit den neugeplanten, vergrößerten Gemeindezuschnitten deutlich höher: Gewachsene Dörfer waren Identitätsanker für ihre Bürger. Gewachsene Dörfer fusionierten ungern mit unliebigen Nachbarn. Auf einer Ebene, die im Wortsinn ’näher am Menschen‘ angelegt ist, hatten allgemeine Rechenbeispiele und Richtwerte, mit denen die Vorteile der Reform im Großen verkauft wurden, einen schweren Stand. Denn eine generell-abstrakte gesetzliche Regelung wie die Gemeindegebietsreform musste naturgemäß individuelle dörfliche Besonderheiten unterschlagen, um ihren Zweck zu erreichen.

Staatsminister Bruno Merk (zusammen mit Staatssekretär Erich Kiesl) musste die Gebietsreform wie Alfons Goppel auch in der eigenen Partei verteidigen, hier eine Beilage des Bayernkuriers aus dem Jahr 1971
Aus: HSS/ACSP, Z-BK 1971-33-Beilage-S1

Wegen der jahrelangen, hitzigen Debatten, die vor Ort und wiederholt auch in Form von Demonstrationen in München ausgetragen wurden, waren die Anpassungen und Abänderungen dann auch am größten: Nicht mehr nur Gemeinden ab 5.000 Einwohnern – wie einst im Richtwert vorgesehen – sondern bereits Gemeinden ab 2.000 Einwohnern (zum Teil auch noch kleinere) durften ihre politische Eigenständigkeit behalten. Noch kleinere Gemeinden gingen in den meisten Fällen in Form neuer Verwaltungsgemeinschaften mit anderen Gemeinden auf. Im Einzelnen entwickelten sich in diesem Streitpunkt zum Teil erbitterte politische Schlachten um den Erhalt von Gemeinden – Ermershausen in Unterfranken erlangte 1978 mit dem hartnäckigen Widerstand seiner Bevölkerung einen besonderen Bekanntheitsgrad. Die Verordnung des Freistaats wurde hier 1978 mit Zwang durchgesetzt.

Es mutet vor dem Hintergrund dieses Beispiels etwas kurios an, dass die Reform die kommunale Selbstverantwortung eigentlich stärken sollte und der Freistaat den Kommunen keineswegs Kompetenzen streitig machen wollte. Seit den 50er-Jahren waren die Bedürfnisse von Bürgerseite deutlich gestiegen: Kindergärten, öffentliche Schwimmbäder, Spiel- und Sportplätze, Büchereien, Grund- und Hauptschulen oder eine Gesundheitsversorgung durch Krankenhäuser auch in der Fläche: Die Nachfrage an den Staat auf kommunaler Ebene stieg fast parallel zum Wohlstand der Wirtschaftswunderjahre. Für kleine Gemeinden mit wenigen hundert Bürgern könne man diese Leistungen in der Breite nicht bereitstellen – so das Denken bei den Reformern in Politik und Verwaltung. Auch der Abwanderung in die Städte sollte durch größere Gemeinden mit mehr Leistungsvermögen und Infrastruktur begegnet werden.

Was aber war das Ergebnis der Reform? Vor dem Hintergrund betroffener Identitäten lesen sich die Unterschiede deutlich: Die Zahl der bayerischen Landkreise halbierte sich wie erwähnt von 143 auf 71, kreisfreie Städte verblieben in Bayern noch 25 im Vergleich zu 43 vor der Reform. Die Zusammenlegung von Gemeinden auf kommunaler Ebene lässt das Ausmaß betroffener Identitäten erahnen: Von 7.073 bayerischen Gemeinden gab es hinterher noch 2.052. Im Vergleich zu den anderen Bundesländern hatte die Gebietsreform in Bayern den höchsten Gemeinderückgang zu verzeichnen – ein Ausdruck seines Flächenstaates. Eine gewaltige Veränderung Bayerns war so vollzogen worden.

Trotz Gebietsreform auf Kurs: Der Beginn der absoluten Mehrheiten

Ausläufer des Protests zur Gebietsreform wirkten auch weit nach dem erklärten Abschluss der Reform 1978 weiter. In den Köpfen mancher Bürger kam die Reform zum Teil bis heute nicht zum Abschluss. Ermershausen kämpfte für seinen Drang nach Unabhängigkeit noch jahrzehntelang weiter und erlangte 1994 wieder den Gemeindestatus – als kleinste Gemeinde Unterfrankens. Aber auch auf Landkreisebene waren Veränderungen prägend: Die Aichacher Gegend bei Friedberg beispielsweise – jahrhundertelang altbayerisches Gebiet und mit dem Kloster Scheyern Stammsitz der Wittelsbacher – fand sich auf einmal im Regierungsbezirk Schwaben wieder, Neuburg an der Donau wiederum in Oberbayern.

Trotzdem hinterließen selbst derart konfliktreiche Auseinandersetzungen wie die Gebietsreform an der federführenden Politik in Bayern keinen Makel. Eher im Gegenteil – denn die Wahlergebnisse der CSU waren stark. Wie schaffte es Alfons Goppel, wie schaffte es die CSU mit Franz Josef Strauß, sich trotz dieser unpopulären Reform in der Wählergunst nach oben zu katapultieren?

Zum einen war es sicher der enorme wirtschaftliche Aufschwung, den Bayerns Bürger dem Kurs der CSU und der Bayerischen Staatsregierung anrechneten: Die bayerische Wirtschaft wuchs ab den 1960er-Jahren kräftig. Von 1960 bis 1975 um heute kaum mehr greifbare 234 Prozent. In Zahlen der allgemeinen Wirtschaftsleistung ausgedrückt: von 32,7 Mrd. Deutsche Mark auf 109,2 Mrd. Deutsche Mark. Dieses Wachstum übertraf bei weitem den Bundesdurchschnitt. Vielleicht war es aber auch gerade die Ehrlichkeit zum politischen Handlungsbedarf, die mancher Wähler schätzte: „Die Bürger honorieren es eher, wenn jemand etwas Notwendiges tut, auch dann, wenn es im Einzelfall unpopulär ist, als wenn er notwendige Entscheidungen vor sich herschiebt“, so jedenfalls die Bewertung des Innenministers Dr. Bruno Merk zur großen bayerischen Kontroverse der Gebietsreform und ihren möglichen politischen Konsequenzen.

Eine neue politische Arithmetik: Alfons Goppel und Franz Josef Strauß nach der für die CSU erfolgreichen Landtagswahl 1970
Aus: HSS/ACSP; Z-BK 1970: 48, Seite 2 – Bayernkurier

Was auch immer die Ursache war: An Wahlergebnissen zeigt sich der Erfolg von Politik und die Akzeptanz der Bürger – für die CSU war es der Beginn ihrer Erfolgsjahrzehnte. Entscheidend für die Landespolitik sind seit jeher die Wahlen zum Bayerischen Landtag. Bereits die Wahl 1962 war ein erster Erfolg. Alfons Goppel war hier als Bewerber um das höchste bayerische Amt noch als überraschender „Kompromisskandidat“ zwischen den CSU-Parteiflügeln hervorgegangen. Die CSU erzielte daraufhin ein Wahlergebnis von 47,5%. Während die CSU in Folge der Wahl noch ein Bündnis mit der deutlich kleineren Bayernpartei (BP) einging, erreichte sie im Folgejahrzehnt zwischen 1966 und 1974 stetig wachsende absolute Mehrheiten. Der Erfolg der CSU unter Ministerpräsident Dr. Alfons Goppel zeigte sich besonders deutlich bei dem Rekordergebnis der Landtagswahl 1974: 62,1 Prozent der Wählerstimmen und bis heute das beste Wahlergebnis der CSU.

Alles in allem waren die 16 Regierungsjahre unter Alfons Goppel eine Zeit des Wandels, und von beherzten und zum Teil mutigen Reformen. Ihren dennoch ruhigen und ausgeglichenen Landesvater, wie Alfons Goppel während seiner Amtszeit immer häufiger anerkennend genannt wurde, hat eine große Mehrheit der Bayern gerne akzeptiert. Wahrscheinlich hätten die Bayern den Strukturwandel auch deshalb etwas gelassener hingenommen, weil sie eine integre und die bayerische Identität wahrende Person an ihrer Spitze wussten- so deutete dies vor ein paar Jahren der bayerische Landeshistoriker Ferdinand Kramer.

Das Ruder der bayerischen Politik ging 1978 in die Hände einer anderen bedeutenden Person der deutschen und bayerischen Politik über: Franz Josef Strauß. Die gesamte Zeit der Regierungsjahre Goppels war Strauß bereits Parteivorsitzender der CSU. Das Verhältnis der beiden CSU-Größen war nicht immer spannungsfrei. Aber die Betrachtung ihres Wirkens mit Blick auf Bayern kann man nicht getrennt voneinander sehen. Neben dem wortgewaltigen ‚Kraftwerk‘ Strauß, dem Liebling der Partei und bis heute deren Identifikationsfigur, wirkte Dr. Alfons Goppel vergleichsweise zurückhaltend. Als Ministerpräsident prägte Goppel neben den repräsentativen Funktionen, die das Amt mitbrachte, vor allem auch durch weisende Richtlinien, die bayrische Politik. Sein Mut und seine Kraft, Verantwortung tragen zu können und zu wollen, formten aus ihm den ruhigen, starken Pfeiler im politischen Gewässer, der Bayern zum modernen und fortschrittlichen Bundesland machte. Da der bayerische Aufstieg oft vor allem mit seinem Nachfolger als Ministerpräsident, Franz Josef Strauß, in Verbindung gebracht wird, bleibt Alfons Goppel trotz seiner langen Amtszeit als Ministerpräsident Bayerns eher als heimlicher Modernisierer Bayerns in Erinnerung.

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Die Alfons Goppel-Stiftung

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Von Franziska Mair, Julius Langenbach und Verena Pirschlinger

Die Alfons Goppel-Stiftung engagiert sich seit über 40 Jahren im lateinamerikanischen Raum. Sie wurde am 8. Januar 1980 mit dem Ziel gegründet, jungen Menschen in lateinamerikanischen Entwicklungsländern eine Ausbildung und damit ein eigenständiges und selbstverantwortliches Leben zu ermöglichen. Dieses Ziel hat Mitbegründer und Namensgeber Dr. Alfons Goppel mit auf den Weg gegeben.

Die zentrale Aufgabe der Stiftung liegt heute in der Vermittlung von Patenschaften. Sie unterstützt jedoch auch viele weitere Projekte vor Ort, von denen lateinamerikanische Kinder und Jugendliche profitieren. Dazu gehören unter anderem eine Förderschule, Kinder- und Jugendzentren sowie Kinderheime. Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung ist Senator e.h. Gerhard Hess, sein Stellvertreter ist Andreas Goppel und die Projektleitung hat die Diplomtheologin Sarah Christ.

Der Ursprung im Verein „Aktion Patenschaften“

Die Alfons Goppel-Stiftung geht auf die Arbeit des Vereins „Aktion Patenschaften“ e. V. zurück, der in den 1970er-Jahren durch einen Spendenaufruf in Bayern 100.000 Mark für bedürftige Kinder gesammelt hatte. Im Jahr 1979 ging der Verein auf Dr. Alfons Goppel mit der Bitte um Unterstützung zu.

Dabei ging es nicht um Hilfe finanzieller Art. Der Verein „Aktion Patenschaften“ hatte das Ziel, eine Stiftung zu gründen. Von Alfons Goppel, der ab 1962 bis 1978 das Amt des Ministerpräsidenten bekleidet hatte, erhoffte sich die Organisation Unterstützung in Form eines Netzwerks an Verbindungen. Goppel investierte jedoch 100.000 Mark aus seinem Privatvermögen in die zukünftige Stiftung und wurde auf Bitten des Vereins Namenspatron und Gründer der Stiftung.

Warum Lateinamerika?

Der Wunsch, mithilfe eines Vereins bzw. einer Stiftung Entwicklungszusammenarbeit in Lateinamerika zu leisten, hatte vielfache Gründe. Zum einen lebten viele Menschen mit deutschen Vorfahren in der Region. Daher bestand eine Verbindung über eine gemeinsame Geschichte und ein gemeinsames christliches Erbe.

Zum anderen lag dem Projekt die Idee zugrunde, das duale Ausbildungssystem, wie wir es in Deutschland kennen, in Entwicklungsländer zu exportieren, um damit Hilfe zur Selbsthilfe und somit ein eigenständiges Leben zu ermöglichen.

Bau von Schulen über kulturelle Grenzen hinweg

Umgesetzt wurde diese Idee durch den Bau mehrerer Schulen für die deutschstämmigen Mennoniten in Paraguay. Beginnend mit einer Landwirtschaftsschule folgten im Laufe der Jahre eine Schreinerei, Ausbildungsmöglichkeiten für Mechaniker sowie eine Hauswirtschaftsschule. Mit letzterer sollten auch Mädchen eine Bildungsmöglichkeit erhalten. Hier gab es kulturelle Differenzen – und unterschiedliche Weltanschauungen manifestierten sich: Die Mennoniten wehrten sich lange gegen den Bau der Mädchenschule. Für die Projektleiter der Goppel-Stiftung war jedoch die Errichtung dieser Schule eine Voraussetzung für die Unterstützung vor Ort.

Dr. Thomas Goppel, ehemaliger bayerischer Umweltminister und Sohn des Stiftungsgründers, erinnert sich: „Die damalige Schule wird mir nie in Vergessenheit geraten.“ Die Partner vor Ort wollten eine reine Knabenschule errichten. Daraufhin griff Goppel zu einem drastischen Mittel: Er schnitt Geldscheine auseinander und forderte die Umsetzung der Mädchenschule – schließlich kam es zu deren Bau. „Es wurde die schönste Mädchenschule, die Paraguay damals gehabt hatte“, so Goppel.

Die Arbeit in Paraguay und an den dortigen Schulen wurde mittlerweile eingestellt, weil die Projekte mittlerweile selbstständig ohne Hilfe von außen laufen.

Fokus auf Ecuador und Patenschaften

Zu Beginn ihrer Tätigkeit war die Alfons Goppel-Stiftung in zahlreichen Ländern Süd- und Lateinamerikas engagiert. Mittlerweile konzentriert sich ihr Kerngeschäft auf Ecuador. Die Wahl Ecuadors geht im weitesten Sinne auf den eucharistischen Weltkongress 1960 in München zurück. Durch diesen war eine Partnerschaft zwischen der Erzdiözese München-Freising und Ecuador entstanden. Die Alfons Goppel-Stiftung legt heute Wert darauf, Projekte gemeinsam mit den Partnern vor Ort zu entwickeln. Ihr Fokus liegt auf Bildungsprojekten.

Patenschaften

Die Hauptaktivität der Stiftung ist die Vermittlung von Patenschaften. Die Paten in Deutschland können Kinder und Jugendliche in Ecuador mit einem monatlichen Betrag von 29 Euro unterstützen. Dahinter steht die Idee, dass alle Pateneltern ihren Patenkindern mit einem Euro pro Tag eine Ausbildung für ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben ermöglichen, so der Stiftungsvorsitzende Gerhard Hess.

Vermittlung der Patenschaften

Die Partner vor Ort entscheiden vor allem nach der sozialen Bedürftigkeit der Familien, aber auch aufgrund schulischer Leistungen über die Aufnahme von Kindern in das Förderprogramm. Deren Namen werden den Vertretern der Alfons Goppel-Stiftung in Deutschland übermittelt, die daraufhin passende Pateneltern für die Kinder suchen.

Dabei werden vor allem direkte Patenschaften in großen Großstädten wie Santo Domingo und Guayaquil vermittelt. Die Aufnahme von Kindern aus dem ländlichen Raum oder indigenen Familien sei, so Sarah Christ, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da die Kinder ihre Fördermittel persönlich abholen sollen und auch Briefkontakt zu ihren Pateneltern in Deutschland halten müssen. Daher stammt ein Großteil der geförderten Kinder aus Städten. Kinder und Jugendliche im Andenraum werden durch Stipendienprogramme der Diözesen unterstützt.

Finanzierung der Stiftung

Da sich die Alfons Goppel-Stiftung über Spenden finanziert, gehört es zu ihrem Selbstverständnis, die Verwendung der Gelder transparent zu gestalten. So werden maximal rund zehn Prozent aller Spenden und Einnahmen durch Patenschaften für Verwaltungskosten ausgegeben, das entspricht drei Euro der monatlichen Spende von 29 Euro. Die Stiftung verfügt über eine Geschäftsstelle, die aus einem Raum besteht und durch eine hauptamtliche Geschäftsführung geleitet wird. Bei der Nutzung der Räumlichkeiten im Bürogebäude des Bayerischen Bauindustrieverbands handelt es sich ebenfalls um eine Spende, da der Verband den Raum mietfrei zur Verfügung stellt. Dadurch können die laufenden Kosten für die Stiftung niedrig gehalten werden.

Handgeschriebener Brief des Patenkindes José Andres (li.) mit seiner deutschen Übersetzung (re.). Da der Brief aus der Zeit der Coronapandemie stammt, sind Themen der gute Gesundheitszustand seiner Familie, der Unterricht über das Internet sowie seine guten Noten.

Die Patenkinder nehmen das Geld in der Regel persönlich entgegen und bestätigen den Empfang. Auch besteht Briefkontakt zwischen Pateneltern und -kindern. Somit können diese sich auch persönlich davon überzeugen, dass ihre Spende sinnvoll ankommt. Oft melden sich Pateneltern, die spanisch sprechen, als freiwillige Übersetzer für die Stiftung und andere Paten.

Weitere Fundraising-Aktivitäten der Stiftung

Über die Patenschaften hinaus, sammelt die Stiftung Spenden mit Hilfe von Charity-Events. Dazu zählen der regelmäßige Wohltätigkeitsball, die Münchner Soirée sowie der Bayerische Advent, ein Abend mit traditioneller bayrischer Musik.

Die Familie Goppel

Vorsitzender des Stiftungsrates Alfons Goppel Junior vor dem Porträt seines Großvaters in der Geschäftsstelle der Stiftung.

Auch nach dem Tod des Gründers und Namenspatrons Dr. Alfons Goppel bleiben seine Nachkommen in der Stiftung ehrenamtlich engagiert.

Zwei Söhne von Alfons Goppel selbst, Dr. Thomas und Dr. Christoph Goppel, sind noch aktiv in der Stiftung. Seine Enkeltochter Dr. Gertrud Goppel sitzt im Stiftungsrat, während Dr. Christoph Goppel dort stellvertretender Vorsitzender ist.

Dr. Thomas Goppel ist Sprecher des Stiftungsbeirats, dem auch Enkelsohn Martin Goppel angehört. Enkel und Namensvetter Alfons Goppel Junior ist Vorsitzender des Stiftungsrates. Andreas Goppel (Enkel) ist stellvertretender Vorstand der Stiftung.

Stiftungsarbeit in Zeiten der Pandemie

Trotz der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Ängsten, die sich teilweise auch um wirtschaftliche Sicherheit drehen, ist die Anzahl der Patenschaften in der Alfons Goppel-Stiftung stabil geblieben. Besonders stolz ist Sarah Christ auch auf die unglaubliche Spendenbereitschaft inmitten der ersten Welle der Pandemie. Kurz vor Ostern 2020 informierte sie die Pateneltern in einem Brief über die pandemische Lage in Ecuador. Kurzfristig reagierten die Spenderinnen und Spender mit so großzügiger Unterstützung, dass die Stiftung zusätzlich noch die Nothilfe in den Diözesen vor Ort unterstützen konnte.

Dabei hat die Alfons Goppel-Stiftung auch auf ihrer Website tagesaktuell über die verheerenden Entwicklungen der Corona-Pandemie in Ecuador berichtet. Zu Beginn der Pandemie stand sie vor großen Problemen. Da viele Familien, die unterstützt werden, nicht über ein Bankkonto verfügen, holen die Kinder die Fördermittel in der Regel gemeinsam mit ihren Eltern ab, was aufgrund des Lockdowns nicht mehr möglich war. Viele Eltern hatten durch die Coronamaßnahmen auch ihre Arbeit verloren. Und so konnten viele Familien plötzlich keine Lebensmittel mehr einkaufen. Auch das Postsystem brach komplett zusammen und behandelt wurden in Krankenhäusern häufig nur diejenigen, die ihren eigenen Sauerstoff mitbrachten.

Der Kontakt zur Stiftung war für die betroffenen Familien nun kaum mehr möglich. Das schwere Schicksal einer alleinerziehenden Mutter wurde erst nach Wochen sichtbar:

In dieser akuten Notlage unterstützte die Alfons Goppel-Stiftung die Arbeit der Diözesen, die wiederum Lebensmittelpakete, Medizin und Geschichtsmasken bereitgestellt und mithilfe des Militärs zu den betroffenen Familien gebracht hatten.

Ähnlich wie in Deutschland kam es auch in Ecuador im Sommer zu einer Entspannung der pandemischen Lage, sodass die Eltern der Patenkinder die Spendengelder nach und nach wieder abholen konnten. Die Bedingung für die Ausgabe der finanziellen Förderung ist, dass sie der Bildung der Kinder dienen muss. In der Zeit vor der Pandemie bedeutete dies etwa die Finanzierung von Schuluniformen oder Schreibmaterialien. Während der Coronapandemie konnten die Familien damit einen Internetzugang oder ein Tablet erwerben und damit ihren Kindern den digitalen Unterricht von zu Hause ermöglichen.

Während der Coronakrise waren vor allem die Projektpartner vor Ort eine große Hilfe. So haben beispielsweise die Mitarbeiter des Zentrums für die Förderung von Frühgeborenen Videos gedreht, mit deren Hilfe die Eltern zuhause Übungen mit ihren Babys durchführen konnten. Damit konnten sie verhindern, dass die Kinder während des Lockdowns Rückschritte in ihrer Entwicklung machten.

Wie kann ich eine Patenschaft übernehmen?

Der einfachste Weg, ein Kind über die Alfons Goppel-Stiftung zu unterstützen, führt über einen direkten Kontakt mit der Stiftung. Die Menschen dort kennen die Kinder und helfen dabei, den individuell besten Weg zu finden. Das kann eine direkte Patenschaft von Kindern sein oder eine Patenschaft für bestimmte Projekte vor Ort.

Patenschaften unterstützen individuell positive Entwicklungen

Dass die Spenden vor Ort ankommen und Gutes tun, erzählt Sarah Christ am Beispiel eines ehemaligen Patenkindes. Ursprünglich kam das Mädchen aus einer ärmeren Gegend in Guayaquil, „wo die Not sehr, sehr groß ist.“ Sie absolvierte den Schulabschluss, besuchte die Universität und wurde schließlich Maschinenbauingenieurin.

Das ehemalige Patenkind, nun eine Frau mit Mitte Zwanzig, besuchte vor kurzem über ihre ecuadorianische Firma einen Lehrgang am Bodensee. Dort trafen sich Patin und Patenkind nach vielen Jahren wieder. Da sie die beiden zum Übersetzen begleitete, erlebte Frau Christ die Wiedersehensfreude zwischen den beiden: „Das sind ganz, ganz schöne Patenschaften, die da entstehen.“

Mittlerweile unterrichtet die heutige Maschinenbauingenieurin selbst an der Universität. Sarah Christ erzählt lachend:

Die Flagge Ecuadors und Dankeskarten von Patenkindern. Manche von ihnen haben die Karten selbst gebastelt.

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